„Die Neuerfindung der Diktatur“ in China

China ist, wenn es nach Kai Strittmatter, der als ehemaliger SZ-Korrespondent 20 Jahre in dem Land gelebt hat, geht, zielstrebig und planmäßig auf den Weg in den „Digitalen Totalitarismus“. Die Überwachungsmaßnahmen sind dabei Teil der chinesischen Gesamtsrategie, innerhalb derer der Regierungschef Xi Jinping sein Land wieder zum witschaftlichen und kulturellen Zentrum der Welt machen möchte. Seine Erfahrungen hat Strittmatter jetzt in dem Buch „Die Neuerfindung der Diktatur“ festgehalten. Die ARD-Kultursendung „titel thesen temperamente“ hat ihn für ein Gespräch besucht und sein Buch in einem kurzen Videobeitrag vorgestellt. Den Link finden Sie hier:

ttt- Chinas Weg in den totalen Überwachungsstaat

Im Zentrum der chinesischen Überwachung steht dabei das Sozialkreditsystem, in China „System der sozialen Vertrauenswürdigkeit“ genannt. Jedes Verhalten soll dabei in Echtzeit analysiert, bewertet und positiv oder negativ sanktioniert werden. Menschen, die beispielsweise bei Rot über die Ampel gehen, erscheinen dann mit Namen und Bild auf öffentlichen Displays. Die scores des Kreditsystems werden ständig aktualisiert, es gibt den „Nachbarn des Monats“, andere Menschen bekommen dagegen keine Flugtickets mehr. Noch ist das System im nationalen Testlauf, 2020 soll aber schon auf jeden zweiten Chinesen eine Überwachungskamera kommen. Als Ziel stehe die Entwicklung eines „neuen Menschen“, die Unterteilung in schlechte und gute, ehrliche und nicht ehrliche Menschen im in allen Lebensbereichen durchökonomisierten „Wettkampf um Punkte und Anerkennung“.  Und die Bevölkerung? Die hat, so Strittmatter, die Verstellung zum einen längst zu ihrer „zweiten Natur“ gemacht, immer häufiger hört er aber auch Stimmen, die um Sorge sind ob einer zunehmenden Entmoralisierung und Entfremdung des chinesischen Alltagslebens.

Strittmatter stellt in dem Buch  auch die wichtige Frage, was die Entwicklungen eigentlich für uns im Westen bedeuten. Was passiert, wenn sich Chinas Riesenprojekt, extremen Turbokapitalismus mit von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung getriebenen historischen staatlichen Autoritäts- und Überwachungsmaßnahmen effektiv und effizient zu verkoppeln, als erfolgreich herausstellen wird? Auf jeden Fall sollten wir uns damit tiefer auseinandersetzen, so der Autor:

„Wir können nicht ausschließen, dass das, was die KP hier plant mit ihrem digitalen Update der Diktatur sehr erfolgreich wird am Ende. Wenn das so sein sollte, dann haben wir ein großes Problem.“

Was halten Sie von den Entwicklungen in China? Und glauben Sie, dass hier ein neues Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell heranwächst, das letztlich – vor dem Hintergrund unseres gegenwärtigen wachstums- und effizienzgetriebenen internationalen Wettbewerbsystems – auch zu einem Modell für westliche Demokratien wird? Wie können wir diesen Makro-Entwicklungen als ganzheitlich denkende Menschen entgegentreten? Und wie im Kleinen den Großdystopien kleine integrale Utopien entgegenstellen?

Bringen Sie sich gerne ein – für einen menchgerechte Digitalisierung der Gesellschaft.