Ernst Ulrich von Weizsäcker: Das Anthropozän baucht eine neue Aufklärung

Ernst Ulrich von Weizsäcker gehört zu den klügsten  Köpfen unseres Landes und ist zudem eine der prägenden Figuren in der weltweiten Nachhaltigkeits-Debatte. Seit 2012 ist der Naturwissenschaftler und ehemalige Bundestagsabgeordnete u.a. auch Ko-Präsident des Club of Rome, der Denkfabrik also, die in den 70ern mit der millionenfach verkauften und in viele Sprachen übersetzen Studie „Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit“ von einem auf den anderen Tag bekannt geworden ist. Einige Jahrzehnte später wurde nun ein neuer Bericht an den Club of Rome verfasst, der den folgenden Titel trägt:

Wir sind dran. Club of Rome: Der große Bericht: Was wir ändern müssen, wenn wir bleiben wollen. Eine neue Aufklärung für eine volle Welt

Im folgenden Video der Werkstatt Zukunft können Sie sich einen Vortrag von von Weizsäcker in Oldenburg ansehen, in dem er den Inhalt und den Kontext des neuen Berichtes vorstellt. Der Vortrag läuft innerhalb der Vortragsreihe Postwachstumsökonomie, die u.a. von dem bekannten Ökonomen und Wachstumskritiker Niko Paech organisiert wird.

 

Von Weizsäcker und der Club of Rome gehen dabei von einer zentralen These aus: alles was für die „leere Welt“, also für eine Welt ohne Wachstumszwang und ohne globale Überbevölkerung oder Ressourcenknappheit und – plünderung  in den letzten Jahrhunderten seit Beginn der ersten Aufklärung  vielleicht durchaus richtig gewesen ist und Fortschritt gebracht hat, wird nun, in der „vollen Welt“ vollkommen falsch. Seit 45 Jahren erleben wir, so von Weizsäcker, dabei einen „Siegeszug der Wohlstandsvermehrung“, der in Wirklichkeit aber auch eine „ökologische Katastrophe“ bedeute.

Dabei macht er einen großen ideengeschichtlichen Sprung und sieht eine vordergründig „tiefe philosophische Krise“ unseres Zeitalters. Ganz dialektisch geht von Weizsäcker so auch auf die destruktiven Potenziale des  „alten“ Aufklärungsdenkens (Sozialdarwinismus in Ökonomie, Kolonialisierungsbestrebungen des globalen Nordens) seit dem 18. und 19. Jh. ein. Er seziert die gegenwärtig zentralen Orte dieses  Denkens, die moderne (neoklassische) Ökonomie und die Business Schools dieser Welt, die mit ihrer fast religiösen Folklore des Überbietungs-Wettbewerbs und des Sozialdarwinismus zentrale historische Figuren des ökonomischen Denkens (Smith, Ricardo, Darwin)  „makaber“ fehlinterpretiert  und darauf ihre „kranke Ideologie“ aufgebaut hätten.  Und er thematisiert auch  die Paradoxie der UNO-Nachhaltigkeitsstrategie, die letztlich keine sei, da sie Nachhaltigkeit mit Wachstum bringen wolle, obwohl der globale CO2-Ausstoß und das weltweite Wirtschaftswachstum „Hand in Hand“ gehen würden.

Mit dem Begriff der „Balance“ findet er schließlich einen ethischen Primat für eine neue, darauf aufbauende zweite Aufklärung, die die Probleme der ersten zu verhindern und zu beheben versuche. Diese Balance betreffe im Anthropozän, also in dem Zeitalter der technologischen und ökonomischen Ausbeutung der Natur durch den Menschen, nicht nur das Verhältnis von Mensch und Natur bzw. Mensch und Tier, sondern auch jenes von Staat und Wirtschaft, die sich als Systeme seit den 90ern zunehmend entkoppelt hätten (Stichwort globaler Finanzmarkt-Kapitalismus).

Was halten Sie von den Gedanken von Weizsäckers und dem neuen Bericht  des Club of Rome? Wie können wir diese „neue Aufklärung“ in Handlungsorientierungen  und alltägliche Entscheidungen umsetzen? Und wie können wir sie auch an Schulen und Universitäten bringen, also an die Orte, die gegenwärtig noch den Geist der alten, rein wettbewerbs- ,technologie- und wachstumsorientierten Welt leben, in denen aber die „Macher“ unserer Zukunft entwickelt werden? Welche Transformation beim eigenen Bewusstsein und Handeln kann und muss der/die Einzelne gehen? Bringen Sie sich gerne ein – für einen mensch- und umweltgerechten Wandel unserer Gesellschaft und Wirtschaft.