Auf diesem Blog haben wir uns vor dem Hintergrund der Herausforderungen der Digitalisierung für Gesellschaft und Wirtschaft im Allgemeinen und die Arbeitswelt im Besonderen immer wieder mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens befasst und dabei verschiedene, durchaus auch kritische Perspektiven vorgestellt. Auf der „phil.cologne 2018“, dem Internationalen Festival der Philosophie haben im Juni dieses Jahres nun zwei intellektuelle „Schwergewichte“ des Landes zu dem Thema diskutiert: der bekannte Philosoph und Autor Richard David Precht und der renommierte Arbeitsforscher Christoph Butterwegge. Während Richard David Precht im deutschsprachigen Raum dabei zu den bekanntesten Verfechtern des bedingungslosen Grundeinkommens gehört und seine Ideen dazu immer wieder in den Diskurs bringt, gilt Butterwegge als scharfer Kritiker des Konzepts, wobei sich beide in ihren grundsätzlichen Zielvorstellungen, nämlich der Entwicklung einer solidarischeren Gesellschaft durchaus sehr nahe stehen. Auf Deutschlandfunk Kultur können Sie sich die Diskussion anhören:
Precht geht zunächst von der Hypothese aus, dass ein beachtlicher Teil der gegenwärtigen Berufe im Kontext des in seinen Augen „epochalen“ Zweiten Maschinenzeitalters in den nächsten 10-15 Jahren vollständig algorithmisiert wird. Da dann das alte Sozialstaatsmodell zusammenbrechen würde und nicht mehr finanzierbar sei, stellten sich neue Formen der sozialen Absicherung, die von der traditionellen Lohnarbeit entkoppelt sind. Hier soll anstelle des gegenwärtigen Sozialstaatsprinzips ein bedingungsloses Grundeinkommen treten. Für Precht bedeutet das bedingungslose Grundeinkommen dabei zunächst „mehr Soziales“ im Kapitalismus, es steht in seinen Augen aber auch für einen tiefgreifenden kulturellen und historischen Wandel, der unser modernes Verständnis von Arbeit (insbesondere den okzidentalen Arbeitsethos) grundlegend transformieren wird und der damit tiefgreifende philosophische Implikationen hat. Er will sich dabei dezidiert nicht als Angst- sondern als Hoffnungsmacher verstehen wissen, der den alten Menschheitstraum der Abschaffung entfremdeter Lohnarbeit und damit auch wieder menschliche Sinnstiftung ins Zentrum rückt. Zur Finanzierung schlägt er eine Finanztransaktionssteuer vor.
Butterwegge widerspricht hingegen schon bei Prechts Ausgangsthese. Die ganze Diskussion um die Digitalisierung sei insgesamt von einem neoliberalen Narrativ des Angstmachens fehlgeleitet. Bisher gäbe es auch keinerlei Anzeichen einer epochalen Bewegung in der Arbeitswelt. Die Produktivitätszahlen in den Volkswirtschaften stagnierten vielmehr seit Jahren, das Arbeitsvolumen steige und die Beschäftigungszahlen seien, wie auch bei früheren Technologieumbrüchen, trotz vieler prekärer und atypischer Arbeitsverhältnisse auch stabil geblieben. Aber auch mit dem Konzept „an sich“ hat Butterwegge Probleme: Das „Gießkannenprinzip“ (jeder bekommt das Gleiche ungeachtet seiner Situation) des bedingungslosen Grundeinkommens hält er weder für bedarfs-, noch leistungs- und verteilungsgerecht, weil es die gegenwärtigen tief sitzenden sozialen Strukturen der Prekarität und Ungleichheit nicht wirksam angehe. Precht wirft er vor, mit seinem Konzept neoliberalen Angstmachern auf den Leim zu gehen, da es auch in diesen Kreisen sehr beliebt sei. So wolle er den „Sozialismus im Kapitalismus“ einführen, ohne die Einkommens-, Verteilungs- und Besitzverhältnisse und damit Machtstrukturen in unserem gegenwärtigen Wirtschaftssystem zu berücksichtigen und zu thematisieren. Gegen Prechts Vorschlag hält er dagegen sein eigenes Konzept einer Bürgerversicherung, das sich als eine Weiterentwicklung des gegenwärtigen Sozialstaates hin zu einer solidarischeren Gesellschaft versteht.
Was halten Sie von der Diskussion? Wo liegen Chancen, wo Risiken des bedingungslosen Grundeinkommen? Wie schaffen wir es, das Konzept zu implementieren, ohne dass wir die gegenwärtigen Probleme unseres Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells nur noch weiter verstärken? Und wie können wir einen ganzheitlichen, sowohl individuellen als auch kollektiven Bewusstseinswandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik initiieren, der ein mögliches bedingungsloses Grundeinkommen oder auch eine Bürgerversicherung nur als eine Einzelmaßnahme, ein Experiment im Kontext einer viel größeren über diese materiellen Bedingungen hinausgehenden solidarischen und kooperativen Bewegung versteht?
Bringen Sie sich gerne ein – für einen menschgerechten Weg der Digitalisierung.
Beide haben gute Argumente- wobei ich denke, das Precht eher Recht hat in Bezug auf Jobverluste, denn die Entwicklung der KI wird alles verändern, da bisher immer nur Werkzeuge verbessert wurden, der Mensch immer unabdingbar war, weshalb jeder Techniksprung zwar viel Arbeit vernichtete, aber auch viele neue Jobs schufen. KI aber macht bzw wird zum allererten Mal den Menschen völlig überflüssig machen, es braucht dann keine Lenker, Steuerer mehr, das gab es so noch nie.
Es braucht einen Mix aus Kompromissen, denn es geht nicht um Ideologien, sondern dem Machbaren. Butterweges Visionen sind größtenteils aktuell nicht umsetzbar, viel zu viele Hindernisse/Gegenspieler gibt es da, die viel zu verlieren haben und große Macht.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen hingegen wäre umsetzbar und auch gut finanzierbar, nur geringfügig teurer wie H4, würde man es in ähnlicher Höhe ansetzen.
Natürlich müsste es hoch genug sein, keine neoliberale Mogelpackung wie der Versuch in Finnland, der allenfalls den Niedriglohnsektor beflügelt.
Um ein menschenwürdiges, freies! Leben zu ermöglichen, muss die Höhe in enger Relation zu den Lebenshaltungskosten stehen, d.h. regional flexibel, denn zb ein Münchner braucht bedeutend mehr wie ein Leipziger. Auch muss verhindert werden, das dann zb die Mieten immer weiter erhöht werden, weil mehr Geld da ist- die durchschnittliche Kaufkraft diktiert oft die Preishöhe. Eine Möglichkeit wäre zb – in Bezug zum GG „Eigentum verpflichtet“, eine erlaubte Nettomaximalgewinnhöhe durch Vermietung festzulegen, denn unsere aktuelle Mietpreisbremse ist relativ nutzlos.
Auffallend viele Befürworter des Grundeinkommens kommen aus dem neoliberalen Bereich, was hellhörig machen sollte. Jene hoffen, das dann das Sozialsystem abgeschafft wird, Steuern wegfallen und AN-Rechte wie Mindestlohn, Kündigungsschutz, ect, aufgehoben werden; das ein zu niedriges Grundeinkommen Arbeiter in den Niedriglohnsektor zwingt oder aber das bei einem genügend hohes Grundeinkommemn die Löhne niedriger gehalten werden können, weil niemand davon leben muss, so mancher nur seiner Berufung folgt, auch hoft so manch einer, das der Firmengewinn dank fehlender Sozialabgaben und geringerer Besteuerung noch höher wird.(zb. Götz Werners Modell) Solcherlei „Pervertierung“ einer guten Grundidee, eine Verschlimmbesserung, muss verhindert werden.
Es ist also wichtig, paralell zum bedingungslosen Grundeinkommen auch die Sozialsysteme zu stärken und zu verbessern, so wie es Butterwege fordert, denn es wird noch Jahrzehnte dauern, bis die Mehrheit dank Technisierung arbeitslos sein wird; es braucht einen höheren Mindestlohn – denn Aufstockerei ist nur Subventionierung, Geldgeschenke an Firmen, es braucht eine Bürgerversicherung, eine umlagenfinanzierte Rentenkasse für alle, zum Wohle der Bürger, nicht der Aktionäre.
Butterweges Eigentumsfrage „wem gehören die Roboter?“ ist so nicht praktikabel, aber die Robotersteuer, die schon Gates forderte, eine Möglichkeit, Einnahmeausfälle durch immer höhere Arbeitslosigkeit zu kompensieren; die Eigentumsverhältnisse können jetzt nicht direkt geändert werden, aber indirekt, Schritt für Schritt, Verbesserungen für die Mehrheit erwirkt werden, durch sinnvolle Besteuerung zb.
Es ist also nicht die „revolutionäre“ Systemfrage zu stellen, zu fordern, sondern in kleinen Schritten an vielen Fronten zu beginnen, Pragmatismus, nicht Ideologie und Vision, muss zum wichtigsten Kriterium werden, damit reales möglichst zeitnah umgesetzt werden kann.
Erst kommt Lebensqualität, danach kann man schwierige Gerechtigkeitsfragen angehen.
Fazit: Ein guter Beginn wäre die Einführung eines flexiblen bedingunslosem Gerundeinkommens, zusammen mit der Robotersteuer, beides gut machbar, natürlich ohne den Sozialstaat zu schleifen, im Gegenteil, danach kann man weiterschauen, was am ehesten geht, die einfachen Dinge zuerst.