„Jäger, Hirten, Kritiker“- Richard David Prechts Digitalisierungs-Utopie

Bereits seit über einem Jahr machen wir auf den Philos Denkräumen auf die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer menschgerechten Gestaltung des Digitalisierungs-Prozesses aufmerksam. Auch der bekannte Philosoph Richard David Precht hat sich seit einiger Zeit mit den gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung beschäftigt. Diese Woche war er zu Gast bei Markus Lanz und hat dort sein neues Buch „Jäger, Hirten, Kritiker -Eine Utopie für die digitale Gesellschaft“ vorgestellt.

Der Titel ist  angelehnt an eine alte Kommunismus-Definition des Ökonomen und Philosophen Karl Marx. In dieser Definition zeichnet Marx das Idealbild einer utopischen, nicht-entfremdeten und von selbstbestimmten, freien Subjekten bewohnten Welt, das er der in seinen Augen entfremdeten, „kühlen“ Welt der lohnabhängigen Erwerbsarbeit gegenüberstellt: „Kommunismus ist, wenn ich morgens Schafe hüte, nachmittags jage und abends Bücher kritisiere, ohne Jäger, Hirte oder Kritiker zu werden.“ Precht hat diesen Titel deshalb als Aufhänger für sein Buch gewählt, weil er glaubt, dass wir im Zuge der Digitalisierung und der Automatisierung (Wegfall von Arbeitsplätzen) in eine solche Gesellschaft kommen könnten, wenn wir sie sinnvoll und ganzheitlich gestalten.

Trotz dieser grundsätzlich utopisch-optimistischen Vision, die er im Gespräch zeichnet, ist sein Ton allerdings auch durchaus kritisch. So kritisiert  er, dass das kybernetische Menschen-Sterungsmodell  des Silicon Valleys mit einem aufgeklärten demokratisch-freiheitlichen Subjektverständnis nicht wirklich vereinbar sei. An anderer Stelle beklagt er die vollständige Utopielosigkeit in Politik und Gesellschaft. Ganz offen  spricht er dabei auch über die Grenzen klassischer Gewerkschafts- und Parteistrukturen. Besonders wichtig sind allerdings zwei Aspekte, die er gezielt herausstellt:

  •  Zum einen macht er richtigerweise darauf aufmerksam, dass die Digitalisierung nicht nur sozial und ökonomisch gestaltet weden muss. Wir müssen sie, so Precht, auch im Hinblick auf die ökologische Grenzen unseres Planeten betrachten und dürfen sie nicht von diesem Thema entkoppeln. Denn die Digitalisierung hat einen unglaublichen Energieverbrauch (fossile Brennstoffe). Damit ist Precht nahe an einer Postwachstums-Perspektive, die auch wir auf dem Blog bereits thematisiert haben.
  • Außerdem plädiert er für ein bedingungsloses Grundeinkommen für die digitale Gesellschaft, das auch wir hier schon differenziert und durchaus kritisch besprochen haben. Er stell dabei allerdings eine interessante,alternative Finanzierungs-Möglichkeit in den Raum: die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Dabei nimmt Precht also  ein Thema auf, das in Deutschland zumindest kurz nach der Finanzkrise mal am Rande diskutiert wurde, dann aber wieder aus dem gesellschaftlichen Diskurs verschwunden ist.  Vor dem Hintergrund der Digitalisierung und des vollautomatisierten Hochfrequenzhandels könnte diese Finanzmarkt-Reform aber vielleicht neue Anhänger finden und immer wichtiger werden.

 

Was meinen Sie dazu? Werden wir in 15 bis 20 Jahren in einer Gesellschaft leben, in der neue sozialstaatliche Einrichtungen wie das Grundeinkommen ganz selbstverständlich sein werden? In der Arbeit nicht mehr mit Lohnarbeit und reiner Einkommensgewinnung gleichgesetzt wird? Welche anderen Modelle sind noch denkbar? Und wie lässt sich die Digitalisierung der Wirtschaft vor dem Hintergrund der Ökologie-Frage überhaupt sinnvoll gestalten? Wie schaffen wir es, endlich abseits des Wachstums-Paradox zu denken und die Digitalisierung nicht als reinen Wachstums-Beschleuniger zu begreifen? Bringen Sie sich ein – für eine menschgerechte Gestaltung der Digitalisierung.