Gegenwärtig wird medial viel über den geplanten 5-Milliarden-Digitalpakt für die Schulen gesprochen, der diese mit digitalen Medientechnologien ausstatten soll. Mittlerweile ist daraus ein Streit zwischen Bund und Ländern entbrannt, der sich um grundsätzliche politische Fragen der Sachständigkeit der beiden Ebenen dreht. (siehe: Streit zwischen Bund und Ländern) Was dabei auffällt: Die Debatte ist ziemlich „inhaltsleer“ und kreist um rein rechtliche Fragen der Verteilung von Länder- und Bundeskompetenzen. Inhaltlich-pädagogische Debatten zu den Konzepten des Digitalpaktes? Fehlanzeige!
Dabei gibt es zunehmend durchaus kritische Stimmen (wenn auch am Rande des Mediendiskurses), die sich inhaltlich mit dem Konzept befassen. Nicht nur aus dem Gebiet der Neurowissenschaften (bspw. Manfred Spitzer, aber auch andere) oder der Philosophie (Richard David Precht …) gibt es Kritik an einem einseitigen technischen Digitalisierungsverständnis. Auch Pädagog/innen machen immer wieder darauf aufmerksam, dass Medientechnologien in einen größeren pädagogischen Diskurs eingebettet werden müssen. Wolfgang Schmipf, Schulleiter des Max-Planck-Gymnasiums in Göttingen hat nun in einem Gastkommentar in der SZ auch Bedenken geäußert.
Den Artikel finden Sie hier: Nachdenken first
Rekurrierend auf den Wahlwerbespruch der FDP zur Digitalisierung „Digitalisierung first. Bedenken second“ sieht Schimpf dabei eine zunehmende „Macht des Faktischen“, die die Gesellschaft in „vorauseilendem Gehorsam“ auf die „Verheißungen der Schönen Neuen Welt“ einschwören will und dabei jegliche Nebenfolgen von Fortschritt und Technologie ausblendet. Eine „gesellschafts- und „digitalkritische Pädagogik“ reformulierend, die das autonome Individuum in das Zentrum der Betrachtung stellt und dieses in Opposition zum digitalen Totalitarismus bringt und mit Bezug auf Kant und geniale Digitalisierungs-Warner wie Stephen Hawking, entwirft er dann ein Gegenentwurf zum gegenwärtigen einseitigen und technikgläubigen Bildungsdiskurs. Dieser beinhaltet drei Dimensionen:
- Zunächst geht es immer um den didaktischen Mehrwert einer Technologie. Anleitend sollte daher eine sachliche und vorurteilsfreie Bewertung der verschiedenen digitalen Lernkonzepte, die von unterschiedlicher Qualität seien, sein, und kein blinder Digitaloptimismus.
- Zweitens verändert sich zwar die Rolle der Lehrkraft zwecks der Technologisierung bestimmter Lehrbereiche. Gerade vor dem Hintergrund der Fortschritte im Bereich der Künstlichen Intelligenz sei diese aber gerade im Bereich Persönlichkeitsentwicklung und allgemeine Intelligenzentwicklung immer bedeutender: „Das Einmaleins oder neue Lateinvokabeln, Lernen also, das vor allem der Wiederholung bedarf, werden Formen künstlicher Intelligenz in der Tat bald besser vermitteln können. Das anspruchsvolle Gespräch über die Faustlektüre in der Oberstufe aber kann der beste Computer nicht ersetzen“.
- Drittens und abschließend müsse die Schule auch wieder ihre gesellschaftskritische Position finden und die Folgen und Konsequenzen des Digitalisierungsprozesses ganzheitlich betrachten, anstatt sich als rein passives Objekt eines externen Technologieprozesses zu definieren. Schimpf plädiert für eine Kombination aus ganzheitlich orientierter Informatik und Philosophie als ein neues Pflichtfach und schließt treffend ab: „Keine Verweigerung, aber auch keine unkritische Übernahme wünsche ich mir. Sondern eine Digitalisierung mit Augenmaß: Einerseits sollten wir uns ihrer teilweise großartigen Möglichkeiten bedienen. Andererseits müssen wir die Schüler so stark machen, dass sie auch Nein sagen können: Nagelprobe ihrer Autonomie.“
Was halten Sie von dem Artikel? Auch wir vom Philos Denkraum glauben, dass der Bereich Bildung eines der zentralen Transformationsfelder unserer Zukunft sein wird, um die Herausforderungen des 21. Jh. (Digitalisierung, Ökologische Externalisierung, Armut, Ungerechtigkeit, Krieg …) wirksam anzugehen. Deshalb bildet er auch eines unserer 7 Lebensfelder unseres ganzheitlichen Digitalisierungs-Ansatzes. Dafür braucht es aber echte, intrinsisch motivierte Gestalter unserer Zukunft und damit eine viel substanziellere Reflexion über Wert und Funktion von Bildung in zeithistorischen Umbrüchen, wie wir sie gegenwärtig erleben. Bringen deshalb auch Sie sich gerne ein – für einen menschgerechten Weg der Digitalisierung.