Prof. Dr. Brodbeck über „die implizite Ethik der Mainstream Ökonomie“

Im folgenden Video sehen Sie einen sehr interessanten  Vortrag von Prof. Dr. Brodbeck im Rahmen der Vortragsreihe „Plurale Ökonomik“, einer Bewegung für mehr Methodenpluralismus und alternative Ansätze in der vorwiegend neoklassisch geprägten Ökonomielehre. Thema: die implizite Ethik der Denkmodelle, die er unter dem Begriff „Mainstream Ökonomie“ zusammenfasst. Brodbeck ist selbst emeritierter Ökonom, was ihn aber nicht davon abhält, ein vernichtendes, aber wissenschaftstheoretisch sehr plausibles Urteil über die Grundannahmen seiner Disziplin zu fällen.

Er versteht unter dem Begriff Mainstream Ökonomie zunächst die Art von Ökonomie, die spätestens seit den 50ern auch in Deutschland fast ausnahmslos gelehrt und letztlich  unter dem Oberbegriff „Neoklassik“ geführt wird. Im gesellschaftspolitischen Diskurs ist diese Denkform unter dem Stichwort „Neoliberalismus“ bekannt geworden. Wesentliche Grundannahmen dieses Ansatzes sind ein eigennutzenmaximierenderes, rationales Individuum, die Idee der freien Marktmechanismen, die ohne Eingriff selbst Gleichgewichte erzeugen, das Verständnis der Wirtschaft als ein vom wissenschaftlichen und sozialen Beobachter unabhängiges Objekt mit eigenen Gesetzen, daraus abgeleitet  die mathematische Modellbildung (Wirtschaftswissenschaft als Naturwissenschaft).

Das zentrale Problem für Brodbeck: Diese abstrakten, unrealistischen Modelle liefern  nicht nur völllig falsche Prognosen (er zählt eine Reihe von Beispielen gravierender Fehlprognosen auch nahmhafter Ökonomen und Institute auf) und verfehlen damit ihren Anspruch, objektive genaue Naturwissenschaft zu sein, katastrophal. Sie haben in ihrem Glauben an die freien Märkte vor allem auch praktische erkennbare Konsequenzen gehabt. Und zwar im HInblick auf das, was er den „Wahn der Deregulierung“ unseres Wirtschafts-, Finanz- und Bankensystems nennt. Deshalb betreibe die neoklasssiche Theorie auch „implizite“ Ethik. Denn hinter dem Anspruch und Glauben, objektive Gesetzteswissenschaft zu sein, stecke eigentlich ein inhumanes Menschenbild, eine Ideologie. Dazu zeigt er auch auf, wie nahmhafte Ökonomen (insbesondere um die zentrale Person Hayek) es im letzten Jahrhundert erfolgreich geschafft haben, diese Denkrichtung in unsere politische Institutionen zu bringen – insbesondere als radikale politische Gegenbewegung zu den gescheiterten planwirtschaftlichen Experimenten in der Sowjetunion.

Was meinen Sie dazu? Welche Rolle spielt die neoliberal geprägte Ökonomie bei unserem Verständnis, wie wir unsere Wirtschaftssystem organisieren? Welchen Einfluss hat sie auf politische Entscheidungsträger/die Wirtschaftspolitik?  Und was sind die Konsequenzen, wenn man auch die Digitalisierung nur vor dem Hintergrund dieser neoliberalen Ansätze betrachtet, die Entwicklung von Technologien und Innovationen in diesem Bereich also dem freien Spiel der ökonomischen „Gesetze“ überlässt? Können wir diese Prozesse überhaupt menschgerecht gestalten, wenn wir diesem fragwürdig gewordenen Paradigma eines freien Marktes folgen? Bringen Sie sich ein – für einen menschgerechten Weg der Digitalisierung.