Niko Paech: Warum eine Postwachtumsökonomie unausweichlich und alles andere „moderner Ablasshandel“ ist

Bei all dem „Chaos“ der letzten Wochen im Zuge der Regierungsbildung in Deutschland und den politischen und weltanschaulichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Parteien scheint es doch ein paar unhinterfragte Prämissen und Metaprinzipien zu geben, die fast alle Parteien verbindet und auf die sich auch die wohl kommende nächste „GroKo“ sicher wieder einstimmen wird. Dazu gehört vor allem  auch der beharrliche Glaube an ein stetiges, sowohl als möglich als auch als notwendig erachtetes Wirtschaftswachstum. Dieses, so der seit einigen Jahren völlig unhinterfragte und gebetsmühlenartig wiederholte Tenor aus Wirtschaft, Politik, Medien, aber auch aus Teilen der (Wirtschafts)wissenschaft,  sei außerdem noch vereinbar mit dem Kampf gegen den Klimawandel bzw. mit substanzieller ökologischer Nachhaltigkeit.

In den letzten Jahren sind dazu gerade auch in Deutschland, das als Vorreiter in dem Bereich gilt, verschiedenste Initiativen entstanden, ja eine ganze „Nachhaltigkeits-Industrie“. Es ist von der „Energiewende“, von „green business“, „green growth“ oder „decarbonisiertem Wachstum“ die Rede. Auch sämtliche Firmen unterschiedlichster Branchen sind längst auf den Trend aufgesprungen und nehmen das Thema Nachhaltigkeit in ihre CSR-Marketingstrategien auf.

Hinter allen diesen Ansätzen, so der Ökonom Niko Paech steht dabei die immer gleiche aber auch falsche und gescheiterte Prämisse: nämlich dass sich stetiges Wirtschaftswachstum systematisch entkoppeln lasse von ökologischen Schäden und dem CO2-Ausstoß, der ursächlich ist für den menschgemachten Klimwandel.

Schauen Sie sich zu diesem Thema bitte mal seinen Vortrag an, den er im Dezember 2017 an der Hochschule Augsburg gehalten hat:

Paech zeigt vor dem Hintergrund der Leitprämisse, dass die ökologische Frage (konkreter: der menschengemachte Klimawandel) kein nice-to-have sondern DIE zentrale humane Existenzfrage des 21. Jh. sein wird, nämlich  auf beachtliche und wissenschaftlich fundierte Weise auf, dass es im Grunde keine Alternative zu einem globalen Wachtumsrückgang und einem völlig neuen Wirtschaftssystem geben kann.

Er stellt dabei auch die drei Säulen seiner auf regionalen Wertschöpfungsketten basierenden Postwachtumsökonomie vor. Und nebenbei demaskiert er noch die Paradoxien der zur reinen Mode verkommenen  „Nachhaltigkeits-Bewegung“ als einen modernen und für substanzielle Nachhaltigkeit kontraproduktiven „Ablasshandel“. Gerade die Menschen aus den gebildeten Gruppen, bei denen das Umweltbewusstsein am stärksten ausgeprägt ist, seien aufgrund ihres höheren Einkommens und ihres kosmopolitischen Lebenstils nämlich auch die größten Klimasünder und kultivierten als Entlastungsstrategie eine Art „Nachhaltigkeits-Kult“.Scharf fasst er die Situation des hippen, an „kognitiver Dissonanz“ leidenden modernen „Weltretters“ zusammen: „Das schlechte Gewissen des Vielfliegers wird in Bionade ertränkt“.

Was meinen Sie dazu? Wie können wir es schaffen, einen kollektiven und individuellen Bewusstseinswandel herbeizuführen und uns von unhinterfragten Prämissen lösen, um den Weg frei zu machen für neue Wirtschaftskonzepte? Welche Möglichkeiten gibt es vor allem im Kleinen? Und was bedeutet das eigentlich in Bezug auf die Digitalisierung unserer Wirtschaft? Niko Paech warnt nämlich davor, dass uns das Thema Industrie 4.0 mit seinen versprochenen Produktivitätsgewinnen und Wachstumsschüben vor ein unlösbares gesellschaftliches Problem stellen wird, wenn wir nicht endlich umdenken. Bringen Sie sich ein – für einen menschgerechten Weg der DIgitalisierung.