Die Herrschaft der Zahlen – Ist alles messbar ?

„Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der Quantifizierung der Welt“ sagt der Philosoph Richard David Precht. Im folgenden Video sehen Sie ein sehr interessantes Gespräch zu  dieser  „Herrschaft der Zahlen“, die sich durch unsere gesamte moderne Menschheitsgeschichte zieht.   Precht geht in dem Gespräch mit seinem Gesprächspartner – dem Philosophen und Astrophysiker Harald Lesch – jener Grundlogik unserer Moderne nach, wobei sie ein sehr ambivalentes Bild dazu zeichnen.

Zwar sind sich beide  darin einig, dass die Mathematik als die „Wissenschaft der Vermessung“ und insbesondere deren vielfältige praktische Anwendungen überhaupt erst einen beträchtlichen Anteil unseres Wohlstands und Fortschritts der letzten Jahrhunderte möglich gemacht haben. Sehr skeptisch sind sie aber bzgl. der Ausbreitung dieser Messlogik auf sämtliche Gesellschafts- und Menschheitsfelder. Anhand vieler exemplarischer Beispiele zeigen sie so die verheerenden Folgen eines modernen „Messfetischs“ in unserer gesamten Gesellschaft und Kultur auf.   Lesch und Precht kritisieren bspw. die Entwicklung der modernen Sozial-, Geistes-, und Kulturwissenschaften – jene Disziplinen,  die eigentlich mal die wichtige Funktion hatten, soziale Utopien und zukünftige Gesellschaftsentwürfe zu entwickeln –  zu reinen Messwissenschaften.  Aber auch der auf „Misstrauensmanagement“ (Lesch) aufbauende Mess-, Ökonomisierungs- und Evaluationswahn an unseren Schulen und Universitäten, der ja spätestens mit Bologna und G8 seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden hat, wird beklagt. Und auch die Politik ist längst der Messlogik unterworfen, orientiert sich fast nur  noch an ständig wechselnden Umfrageergebnissen und nicht mehr an ganzheitlichen Gesellschafts- und Zukunftsentwürfen für unser globales Zusammenleben.Viele andere Beispiele kommen noch zur Sprache.

Insgesamt bemängeln die Beiden so einen zunehmenden Utopieverlust in unserer Gesellschaft – mitausgelöst durch diesen „Messwahn“, der den Fokus ja immer nur auf eine reduzierte Vergangenheit und Gegenwart und nicht eine offene und vom Menschen gestaltbare Zukunft richtet. Die eigentlich zentrale Frage „In welcher Welt wollen wir leben?“ , die ja auch die sozialethische Basis unseres Modells einer menschgerechten Digitalisierung darstellt, komme so gesellschaftlich schlichtweg nicht mehr vor. Am Ende kommen Precht und Lesch  auch noch auf die „Großtheologen“ der gegenwärtigen „Messbewegung“ zu sprechen, nämlich die Tech- und Digitalisierungs-Gurus im Silicon Valley. Denn sie sind es ja, die mit ihren Innovationen und Technologien letztlich anstreben, aus allem Qualitativem am Menschen etwas Quantitatives zu machen, also einen Algorithmus, ein Programm, einen 0/1-Code.

Was meinen Sie dazu ? Woher kommt dieser Drang, alles messen zu müssen? Wie hängt dieser vllt. auch mit der Ökonomisierung aller unserer Gesellschafts- und Lebensbereiche zusammen ? Wie können wir das Qualitative am Menschen, seine Zukunftsbezogenheit und seine Fähigkeit für das utopische Denken vor der Unterwerfung unter diese rein quantitative Logik schützen ? Und wie hängen Messlogik und Digitalisierung zusammen –  wird uns die Digitalisierung zu Wesen machen, die sich und ihre Mitmenschen, letztlich die ganze Lebenswelt dieser Logik unterwerfen ? Bringen Sie sich ein – für einen menschgerechten Weg der Digitalisierung.

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